Fast ein Vierteljahrhundert alt und kein bisschen digitaler sind die dresdner schmalfilmtage. Und das ist auch ganz okay so, schließlich tummeln sich in der gar nicht mal so kleinen Szene die ganz besonders passionierten Filmkunst-Liebhaber. Natürlich nicht nur in Deutschland, das wurde auch bei der 24. Auflage vom 16 bis 19. März 2023 im riesa efau wieder mehr als deutlich. Überall konnten die Besucher:innen große Hallos zwischen Filmemacher:innen und Orga-Leuten beobachten, so dass auch unbeteiligte Gäste sofort von der Herzlichkeit angesteckt wurden. Spätestens aber wenn die Projektoren in der Motorenhalle oder in der runden Ecke rattern, kann man sich der Faszination schmalfilmtage nicht mehr entziehen.

Leidenschaft verbindet schließlich. Erst recht, wenn man sich der Filmproduktion in den Formaten 8mm (in all seinen Varianten), 9,5mm oder 16mm verschrieben hat, was ja schon ein künstlerisches Statement an sich ist. Die Abgrenzung vom heutigen Mainstream, die durch die Begrenzung des Filmmaterials und die ganz eigenen ästhetischen Qualitäten des Schmalfilms quasi wie von selbst geschieht, hat die Aufführungen bei den schmalfilmtagen schon seit jeher geprägt. Der Jahrgang 2023 sollte da keine Ausnahme bilden.

Nach dem Preview am Sonntagabend (12. März) vor der Festivaleröffnung – einer mit Orgelmusik begleiteten Aufführung von Buster Keatons »Der Matrose / Der Seefahrer und andere Titelvariationen« (1924) im Diakonissenkrankenhaus – wurde am ersten richtigen Festivaltag, dem Donnerstag (16. März) gleich der erste – vom Filmverband Sachen gestiftete – Preis vergeben. Beim Internationalen Found Footage Wettbewerb räumte der venezolanische Filmemacher Jeissy Trompiz mit »The Sound of Time« sowohl den Jury- als auch den Publikumspreis ab. Die Jury lobte: »Dieser Film ist eine göttliche Vorwegnahme der technologischen Evolution des heutigen orwellschen Albtraums.«

Neben den bei den schmalfimtagen immer im Nebenprogramm stattfindenden Workshops lockte am Freitag zunächst die Aufführung von »Radical Thinkers« ins riesa efau. Die zusammenhängende Compilation verschiedener Kurzfilme verbindet Portraits von Protagonist:innen der Berliner Clubkultur mit Reflektionen über Queer Culture und unabhängige Kunstproduktion. Zuletzt tritt der mexikanisch-amerikanische Regisseur Serge Garcia selbst in einer der vier Vignetten auf, um über Identität und seinen Alltag in Berlin zu philosophieren. Der Film liefert viel und vor allem sehr gegenwärtigen Stoff zum Nachdenken, der im anschließenden Filmgespräch mit Serge Garcia vertieft wurde.

Ein echter Crowdpleaser war der anschließende Livevertonungswettbewerb. Die Motorenhalle brummte und die ganz unterschiedlichen Musikbeiträge übertönten die ratternden Projektoren bei weitem. Durchweg interessante Kombinationen aus Stummfilm und Livemusik wurden dem enthusiastischen Publikum geboten. Den Publikumspreis nahm schließlich Diva Daneben mit nach Hause, die sich musikalisch und auch lyrisch mit einem Gesundheits-Aufklärungs-Film aus dem DEFA-Archiv auseinandersetzte. Das Dresdner Duo MYRTA, bestehend aus Martina Stoye und Michael Gramm, konnte sich wiederum über den Jurypreis freuen. Ihre Vertonung des Films »Gefährlicher Spielplatz« überzeugte aber auch im Saal.

Ein zweiter Höhepunkt war der Internationale Wettbewerb Super 8/16 am Festivalsamstag, konnten doch Beiträge verschiedener Genres aus aller Welt gezeigt werden. Die Jury überzeugte »I am a«, ein Film der Berliner Super8-Filmemacherin Dagie Brundert, während das Publikum den Film »Motivationsfilm Nr. 751 – Berufsbild Betonarbeiter« zu ihrem Favoriten erkor. Darüber freuen wir uns beim Filmverband Sachsen ganz besonders, schließlich gehört der Film von Manuel Francescon und Michael Sommermeyer auch zum diesjährigen Programm vom film.land.sachsen. »Wenn Werbung tatsächlich so aussehen würde, wäre die Welt ein besserer Platz«, so die Jury, die diesem Film ebenso eine lobende Erwähnung aussprach.

Sehenswert war auch das anschließende Programm von Filmsammler Joachim Schmidt, der unter dem Motto »Die Kunst des Kürzens« ein Potpourri an Trashfilmen zeigte. Werbefilme von Photo Porst oder für einen längst vergessenen Filmladen mit Dieter Hallervorden in der Hauptrolle kamen dabei genauso zur Aufführung wie der quasi-pornographische »Blue Movie« von Andy Warhol in einer stark gekürzten Variante. Denn, erklärte Joachim Schmidt, das Filmmaterial war damals so teuer, dass abendfüllende Blockbuster mitunter zu 15-Minütern zusammengekürzt wurden. Das passt an dieser Stelle ganz gut, denn kurz sollte auch die Wartezeit sein, die bis zur nächsten Ausgabe der dresdner schmalfilmtage verstreichen muss. Vielen Dank für ein durchweg interessantes und spannendes Festival.


Die Website der schmalfilmtage.