Am Samstagabend wurden bei der feierlichen Preisverleihung in Görlitz die Neiße-Fische des 21. Neiße Filmfestivals vergeben. Die vom Strahwalder Künstler Andreas Kupfer gestalteten Preisskulpturen gingen an Gewinnerinnen und Gewinner in drei Wettbewerben und die Publikumslieblinge. Traditionell stiftet auch der Filmverband Sachsen einen Preis. Der Spezialpreis ging in diesem Jahr an den polnischen Dokumentarfilm »Skąd dokąd« (Im Rückspiegel) von Maciek Hamela. Der Preis würdigt einen Film aus dem gesamten Programm, welcher sich im Besonderen dem Verständnis für die kulturellen und ethnischen Unterschiede verschiedener Länder oder den vorhandenen Gemeinsamkeiten widmet. In ihrer Begründung erklärte die Jury um die polnische Journalistin Magdalena Kościańska, der Leiter des Stadttheaters im tschechischen Varnsdorf sowie Philipp Demankowski vom Filmverband: »Wie kann man nicht über den Krieg sprechen und ihn gleichzeitig zeigen? Wie kann man mit enormen Emotionen die Menschen erreichen, die von den ständigen Nachrichten über den Krieg bereits müde sind? Den Autoren des Films ist es gelungen, das Publikum zu bewegen, Tränen hervorzurufen und gleichzeitig Hoffnung zu geben. Manchmal auch einen Impuls zum Handeln.«  

Polnischer Spielfilm »Tyle co nic« gewinnt Hauptpreis beim 21. Neiße Filmfestival

Der Hauptpreis – der vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus geförderte und mit 10.000 Euro dotierte »Neiße-Fisch: Bester Spielfilm« – ging an den polnischen Beitrag »Tyle co nic« (So gut wie nichts) von Grzegorz Dębowski. Die Jury mit dem deutschen Regisseur, Dramaturgen und Drehbuchautor Olaf Held, der polnischen Regisseurin und Drehbuchautorin Iwona Siekierzyńska und dem tschechischen Festivalleiter, Regisseur und Autoren Vavřinec Menšl musste sich im Wettbewerb zwischen neun Spielfilmen, je drei aus Deutschland, Polen und Tschechien, entscheiden. 

»Ein hochpolitischer und leider auch viel zu seltener Blick auf Menschen in großer Notlage. Gefangen zwischen den Vorgaben aus Brüssel, die oft die Bedingungen vor Ort nicht kennen und dem Leben im Dorf, droht eine kleine Gemeinschaft zu zerreißen… Mit präziser Kamera und Montage verfolgt der Film diese gesellschaftliche Spaltung. Er zeigt aber auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Menschen, die uns alle ernähren und deshalb nicht egal sein sollten«, so die Juroren. Überreicht wurde der Preis in Görlitz von Staatsministerin Barbara Klepsch. 

Den von der Stadt Zittau gestifteten Preis für die beste darstellerische Leistung erhielten Magdalena Cielecka und Marta Nieradkiewicz für ihre Performance im polnischen Spielfilm »Lęk« (Angst) von Sławomir Fabicki. Die Jury hob in ihrer Begründung hervor: »Das Roadmovie zieht seine enorme Überzeugungskraft aus dem Zusammenspiel der beiden Hauptdarstellerinnen. Ihr Aufeinandertreffen als zwei Schwestern, die nur noch wenig Zeit haben, um sich auf den endgültigen Abschied vorzubereiten, überzeugt und bewegt nachhaltig. Sie geben sich gegenseitig den Raum ihre Charaktere auszufüllen und sind beide Haupt- und Nebenrolle in einem«. 

Michal Lošonský wurde für seine Arbeit am tschechischen Spielfilm »Moc« (Kraft) von Mátyás Prikler mit dem von der Stadt Görlitz gestifteten Preis für das beste Szenenbild ausgezeichnet. »Grau ist das Set des Films, in dem sich alles um Macht und Einflussnahme dreht. Das passt einerseits perfekt zur Metaphorik, anderseits lenkt dieses Grau nicht unnötig vom Spiel des Ensembles ab. Ganz nach Bertold Brecht erzielt die Verfremdung des Settings einen starken Fokus auf die Erzählung und die politische Brisanz des Films.«, begründete die Jury.

Der Neiße-Fisch für das beste Drehbuch, gestiftet vom Liberecký kraj, ging an Klaudiusz Chrostowski für den polnischen Beitrag »Ultima Thule«, bei dem er auch Regie führte. Die Jury honorierte damit den Minimalismus des Films, der eben auch auf das Drehbuch zurückzuführen ist: »Auslassen und Wesentliches nur so weit zu erzählen, dass den Zuschauenden der berühmte roten Faden nicht verloren geht. Auf Dialoge verzichten und innere Stimmungen in Bildern beschreiben, ist eine große Kunst und leider auch sehr selten im Meer der Filme, die alles zweimal erklären. Das macht den Film Ultima Thule so besonders.«

Bester Dokumentarfilm: »Skąd dokąd« (Im Rückspiegel) von Maciek Hamela

Der polnische Beitrag »Skąd dokąd« von Maciek Hamela erhielt den von der Standortkampagne »So geht sächsisch« gestifteten und mit 5.000 Euro dotierten Preis für den besten Dokumentarfilm im trinationalen Wettbewerb, in dem ebenfalls neun Produktionen konkurrierten. Der Film zeigt die ersten Tage der russischen Invasion in der Ukraine und begleitet Menschen, die in einem staubigen Van auf der Flucht sind. Die Jury mit dem deutschen Regisseur Cem Kaya, der tschechischen Produzentin und Regisseurin Veronika Janatková und dem in Polen lebenden, belarussischen Regisseur Andrej Kuciła hob in ihrer Begründung hervor: »Durch die Nahaufnahme der im Fahrzeug eingezwängten Passagiere und den Fokus auf ihre Schicksale sowie ihre Erlebnisse in dem bewaffneten Konflikt, erfahren wir Zuschauer unmittelbar die schrecklichen Auswirkungen von Krieg und Zerstörung. Der Film ist eine eindringliche Erinnerung an das, was in jedem Krieg passiert, und ein bewegender Appell an Humanität und Solidarität«. 

Eine besondere Erwähnung im Dokumentarfilm-Wettbewerb erhielt der deutsche Beitrag »Landschaft« von Daniel Kötter.

Bester Kurzfilm: »The Silence of 600 Million results« von Sophie Lahusen

Den Preis für den besten Kurzfilm erhielt der deutsche Beitrag »The Silence of 600 Million results« von Sophie Lahusen. Der Film dreht sich um eine junge Frau und die Frage: Schwanger – Abtreibung ja oder nein? Ohne ihr Gesicht zu sehen, wird ihr Handy-Bildschirm zum Spiegel ihrer Persönlichkeit. Emotionale und lustige Sprachnachrichten, Google-Suchen oder Fotos lassen uns unmittelbar daran teilhaben, wie sie versucht, sich zu entscheiden. Über den vom Studierendenrat der Hochschule Zittau/Görlitz gestifteten und mit 1.500 Euro dotierten Preis entschieden der deutsche Ausstatter, Set-Dekorateur und Requisiteur Christoph Merg, die in Prag lebende, ukrainische  Dokumentarfilm-Regisseurin Kateryna Ruzhyna und der polnische Regisseur, Drehbuchautor, Editor Ireneusz Grzyb. In der Begründung der Jury heißt es: »Der Film zeigt treffend die heutige Entfremdung der Kommunikation und nimmt gleichzeitig diese Realität, der wir alle gemeinsam ausgesetzt sind, an. Er eröffnet neue Perspektiven auf das Geschichtenerzählen, und er tut es auf angemessene Weise.« 

Eine besondere Erwähnung im Kurzfilm-Wettbewerb erhielt der tschechische Beitrag »Ice Break« (Das Eis brechen) von Elvira Dulskaya.

Publikumspreise gehen nach Deutschland und Polen

Auch die Meinung des Publikums war gefragt: Die Publikumspreise für Langfilme aus dem Programm des 21. Neiße Filmfestivals, die vom Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien gestiftet wurden, gingen an den deutschen Spielfilm »Rohbau« von Tuna Kaptan und den deutschen Dokumentarfilm »Echoes from Borderland« von Lara Milena Brose. Beliebtester Kurzfilm wurde der polnische Beitrag »Na żywo« (Live-Übertragung) von Mara Tamkovich. Der Preis wurde hier von der Stadt Zgorzelec gestiftet.

Seit Dienstag präsentierte das trinationale Filmfest in 19 Kinos und Spielorten in Deutschland, Polen und Tschechien rund 90 Filme in den drei Wettbewerben und diversen Filmreihen sowie ein Rahmenprogramm u.a. mit Filmgesprächen, Konzerten und mehr. Alle Preisträgerfilme sind am Sonntag im KunstBauerKino in Großhennersdorf, in der Kulturfabrik Meda in Mittelherwigsdorf, im Kronenkino Zittau und im CamilloKino in Görlitz zu sehen. Wann und wo welcher Film läuft, wird am Samstagabend um 21 Uhr auf der Festival-Homepage und in den sozialen Medien bekannt gegeben.

Das 22. Neiße Filmfestival findet vom 20. bis 25. Mai 2025 statt. Aktuelle News und Impressionen zum Festival gibt es online unter www.neissefilmfestival.net.