Porträt Falk Büttner
In der Höhle der immersiven, virtuellen Welt stand Falk Büttner schon vor 20 Jahren. „Virtual Reality ist voll Oldschool“, erzählt mir der Visual Effects (VFX) Artist aus Dresden heute. Vieles von der Technik, die jetzt für normale Nutzer erreichbar ist, hatte er Ende der 90er als Praktikant – und später als wissenschaftliche Hilfskraft – im Competence Center VR am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart schon in Händen, als es seiner Meinung nach bereits einen ähnlichen Hype um Virtual Reality (VR) gegeben habe: „Der Unterschied zu damals ist, dass jetzt jeder mit einem Smartphone das Gleiche machen kann, wofür man früher einen Haufen teurer Technik benötigte. Die Probleme bei helmbasierter VR sind aber noch genau die gleichen wie vor 20 Jahren: die isolierte Erfahrung, die man schlecht mit anderen Menschen gleichzeitig teilen kann“, erläutert Büttner und stellt fest: „Im Fraunhofer IAO wurde das damals schon erkannt und man stieg ziemlich schnell auf ein System namens CAVE um, in das mehrere Menschen mit Shutterbrillen gehen können und sich selbst und alle anderen, die mit ihnen dort sind, in der virtuellen Umgebung sehen können.“
Im Consumer Bereich sieht Büttner momentan die wesentlich spannenderen Ansätze in der „Mixed Reality“, die reale und virtuelle Elemente verbindet. „Für nicht interaktive, linear erzählte Filme ist es egal, ob man sie im Kino oder in VR ansieht. Das beeinflusst Erzählweise, -struktur nicht. Alles, was nicht linear und damit interaktiv ist, ist für mich ein Spiel“, erzählt Büttner.
„Was für die Filmwirtschaft an VR heute interessant ist, das ist die nun sehr preisgünstige Technologie, die das Potenzial hat, die Produktionspipelines von Filmen zu revolutionieren. Was sich vor 10 Jahren nur die Produzenten von „Avatar“ leisten konnten, könnte heute fast jeder machen.“
Durch Kooperationen und die Nähe des Fraunhofer-Instituts zur Filmakademie Baden-Württemberg ist Büttner 1997 in den Studiengang „Film und Medien“ mit Schwerpunkt auf digitaler Bildgestaltung „reingeschliddert“, meint er. Ganz von ungefähr kam das allerdings nicht bei dem gebürtigen Sachsen, der zunächst Lokführer, dann Kosmonaut und Berufssoldat werden wollte.
Vor allem aber hat Büttner immer „sein Ding“ gemacht, auch an der Filmakademie: „Als ich da war, haben die ganzen Animationsleute entweder Raumschiffe oder Saurier animiert und da hatte ich echt keinen Bock drauf.“ Stattdessen interessierte er sich für das gemeinsame Filmprojekt eines „Amis“ aus Los Angeles – den es nach Korb bei Stuttgart verschlagen hatte – und einem mexikanischen Regisseur. Daraus entstand der Spielfilm „Vera“, über eine Maya-Mythologie, für den Büttner gemeinsam mit seinen Kollegen 2003 mit dem Ariel Award für beste Spezialeffekte, dem mexikanischen Oscar, ausgezeichnet wurde. In der Rolle des Koproduzenten und VFX Supervisors drehte er 2009/10 wiederum den ersten Historienfilm über die Barockzeit in Mexiko. Für „El Baile de San Juan“ bauten sie Mexico City im Jahre 1791 nach.
Nach Zwischenhalt in Stuttgart und Berlin hat es ihn vor zwei Jahren wieder nach Dresden verschlagen. Von hier aus arbeitet er freiberuflich als Compositing Artist und VFX Supervisor, unter anderem auch für die Dresdner Produktionsfirmen Balance Film, Ravir Film und Still In Motion.
Er beschreibt sich selbst als „Generalist“ in der Animationsbranche: „Es gibt zwei Sorten von Animationsleuten: die Spezialisten und die Generalisten. Wenn man hier in Dresden überleben will, muss man eigentlich Generalist sein.“
Viel Erfahrung und dementsprechend viele Aufträge hat er als VFX On-Set Supervisor. VFX-Firmen in München und Berlin setzen ihn hierfür weltweit bei Film- und Werbedrehs ein – auch mal für Tom Tykwers „Cloud Atlas“, bei dem er einige Tage in der Wachowski Unit arbeitete. Von seinen Aufträgen kann Büttner zurzeit gut leben – doch die globalisierte Branche erfordert auch, dass man sich organisiert, denn sie lädt zu „Preisdumping“ ein. Deshalb organisiert er sich bundesweit in der AG Animationsfilm und regional im FILMVERBAND SACHSEN. Als Mitglied im Deutschen Institut für Animationsfilm ist ihm auch die Tradition des Animationsfilms wichtig. Den Nachwuchs fördere er wiederum als Gastdozent für 3D-Animation an der FH Dresden.
Eine reguläre Altersvorsorge kann er sich – wie viele Filmschaffende – in der Form nicht leisten, aber er hat eigene Pläne: „Ich werde jetzt wieder verstärkt selbst produzieren und im Alter dann vom Lizenzhandel leben. Als erstes werde ich mich einer Reihe von Noir-Agentenfilmen widmen.“
Das ist natürlich einfacher gesagt, als getan. Doch Büttner hat einen Plan: eine eigene, neuartige „halbautomatisierte Produktionspipeline“. „Dafür habe ich das alte amerikanische Studiosystem genau analysiert – davon kann man sehr viel in die heutige ‚virtuelle’ Welt übernehmen,“ erläutert Büttner. Seine Idee: Er gestaltet einen Stamm sogenannter „Assets“ an digitalen Räumen und Figuren, die kontinuierlich erweitert werden sollen.
„Wenn ich Glück habe, mache ich mal einen Film, der richtig viel Kohle abwirft – und dann bin ich reich“, erzählt mir Büttner. Als ich lache, erwidert er: „Siehste, das klingt so und dann lachen immer alle. Aber ich meine das ernst.“ Ich werde nachdenklich.
Autorin: Sabine Kues